S-DALINAC

Der supraleitende Darmstädter Elektronenbeschleuniger

Der supraleitende, rezirkulierende Elektronen Beschleuniger S-DALINAC (Superconducting-DArmstadt-LINear-ACcelerator) stellt seit 1991 das zentrale Forschungsinstrument am Institut für Kernphysik der TU Darmstadt dar. Seitdem wird der S-DALINAC stetig im Rahmen von Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten weiterentwickelt und immer wieder neuen experimentellen Herausforderungen angepasst.

Abb. 1: Der Hauptbeschleuniger befindet sich im Hintergrund und die Rezirkulation im Vordergrund.
Abb. 1: Der Hauptbeschleuniger befindet sich im Hintergrund und die Rezirkulation im Vordergrund.

In Abb. 1 sind der Hauptbeschleuniger und die drei Rezirkulationen des S-DALINAC zu sehen.

Der S-DALINAC ist als Forschungsanlage das Kernstück des von der DFG geförderten Graduiertenkollegs 2128 („AccelencE“) sowie des Sonderforschungsbereichs 1245.

Abb. 2: Grundriss der Beschleunigerhalle des S-DALINAC sowie der angrenzenden Experimentierhalle.
Abb. 2: Grundriss der Beschleunigerhalle des S-DALINAC sowie der angrenzenden Experimentierhalle.

Der S-DALINAC („Superconducting Darmstadt LINear Accelerator“) ist ein supraleitender Elektronenbeschleuniger an der TU Darmstadt, der sich seit 1991 im Betrieb befindet. Ursprünglich mit zwei Rezirkulationen ausgestattet, wurde der Beschleuniger im Jahr 2016 um eine weitere Rezirkulation ergänzt. Auf diese Weise können Elektronen im sogenannten Dauerstrich-Modus (continuous wave) auf bis zu 130 MeV beschleunigt werden. Mithilfe der neuen Rezirkulation ist es ebenfalls möglich, den S-DALINAC in einem Modus mit Energierückgewinnung zu betreiben, was ihn zu einem sogenannten Energy-Recovery-Linac (kurz ERL) macht. Abbildung 2 zeigt einen Grundriss der Beschleunigerhalle sowie der angrenzenden Experimentierhalle.

Als Elektronen-Quelle kann entweder eine thermionische Quelle genutzt werden, wobei die Elektronen auf 250 keV vorbeschleunigt werden oder es kann eine lasergetriebene Quelle genutzt werden, die Spin-polarisierte Elektronen mit einer Vorbeschleunigung von bis zu 125 keV liefert und die den Namen SPIN (S-DALINAC Polarized Injector) trägt. Nach den Quellen folgt eine Kavität (die sogenannte Chopper-Kavität), die den Strahl mit einer Frequenz von 3 GHz periodisch über eine Blende bewegt und den Strahl somit von einem kontinuierlichen Strahl in einen Strahl bestehend aus Paketen umwandelt. Diese Paket-Struktur ist für die nachfolgende Sektion von großer Bedeutung, da die Elektronen nach einer Längenkomprimierung der Pakete in den Injektorbeschleuniger injiziert werden, wo die Elektronen beim Passieren von starken Wechselfeldern (ebenfalls mit einer Frequenz von 3 GHz) einen Energiegewinn von bis zu 10 MeV erfahren, bei einem maximalen Strom von 60 µA. Der Injektorbeschleuniger setzt sich aus einer 6-zelligen und zwei 20-zelligen Niob-Kavitäten zusammen, welche mit flüssigem Helium gekühlt werden, um diese in einen supraleitenden Zustand zu versetzen. Nach dem Injektorbeschleuniger können die beschleunigten Elektronen für die Erforschung von Kernresonanzfluoreszenz genutzt oder aber über einen Dipolmagnet abgelenkt werden, um sie zum Hauptbeschleuniger zu führen. Letzterer besteht aus acht 20-zelligen Niob-Kavitäten, ebenfalls supraleitend, und ermöglicht einen zusätzlichen Energiegewinn von 30 MeV pro Durchschuss. Hinter dem Hauptbeschleuniger besteht die Möglichkeit, die Elektronen über die Rezirkulationen zurückzuführen und erneut durch den Hauptbeschleuniger zu schicken. Auf diese Weise sind bis zu vier Durchschüsse möglich, was zu einer maximalen Energie von ca. 130 MeV führt, bei einem maximalen Strom von 20 µA. Nach der Beschleunigung kann der Elektronenstrahl an verschiedene Experimentierplätze geführt werden: (1) Am QCLAM-Spektrometer besteht die Möglichkeit (e,e'x)-Experimente durchzuführen, (2) das 169°-Lintott-Spektrometer kann für hochauflösende (e,e’)-Experimente genutzt werden und (3) der Niederenergie-Photonentagger NEPTUN kann für Experimente mit energiemarkierten Photonen verwendet werden.

Abb. 3: (a) Funktionsweise eines einfachen Energierückgewinnungsmodus. Die Elektronen werden zunächst im Hauptbeschleuniger (Main LINAC) beschleunigt (rot) und danach auf einer Rezirkulationsbahn zum Hauptbeschleuniger zurückgeführt. Die Rezirkulationsbahn ist dabei so ausgelegt, dass die Elektronen zum Passieren dieser Strecke eine Flugzeit benötigen, die zu einer Verschiebung der Phase der elektrischen Wechselfelder um ca. 180° führt sobald die Elektronen ebendiese Felder erreichen. Dadurch werden die Elektronen bei erneutem Passieren des Hauptbeschleunigers abgebremst (grün). (b) Zweifacher Energierückgewinnungsmodus mit geteiltem Strahltransport. Hier fliegen einmal-beschleunigte und einmal-gebremste Elektronen in derselben Rezirkulationsstrahlführung. Die Strahlfokussierelemente dieser Rezirkulationsbahn müssen folglich auf zwei unterschiedliche Elektronenstrahlen zugeschnitten sein.
Abb. 3: (a) Funktionsweise eines einfachen Energierückgewinnungsmodus. Die Elektronen werden zunächst im Hauptbeschleuniger (Main LINAC) beschleunigt (rot) und danach auf einer Rezirkulationsbahn zum Hauptbeschleuniger zurückgeführt. Die Rezirkulationsbahn ist dabei so ausgelegt, dass die Elektronen zum Passieren dieser Strecke eine Flugzeit benötigen, die zu einer Verschiebung der Phase der elektrischen Wechselfelder um ca. 180° führt sobald die Elektronen ebendiese Felder erreichen. Dadurch werden die Elektronen bei erneutem Passieren des Hauptbeschleunigers abgebremst (grün). (b) Zweifacher Energierückgewinnungsmodus mit geteiltem Strahltransport. Hier fliegen einmal-beschleunigte und einmal-gebremste Elektronen in derselben Rezirkulationsstrahlführung. Die Strahlfokussierelemente dieser Rezirkulationsbahn müssen folglich auf zwei unterschiedliche Elektronenstrahlen zugeschnitten sein.

Der S-DALINAC kann als Energierückgewinnungsbeschleuniger (engl. Energy Recovery LINAC (ERL)) betrieben werden. Hierbei werden die Elektronen nach der vollendeten Beschleunigung und potentiellen Nutzung für ein Experiment abgebremst, um einen Teil der zuvor zugeführten Energie zurückzuerhalten. Dies wird realisiert indem die Elektronen nach der Beschleunigung eine Strecke zurücklegen müssen die zeitlich auf die elektrischen Wechselfelder im Beschleuniger abgestimmt ist. Diese Rezirkulationsstrahlführung ist so ausgelegt, dass die Elektronen die elektrischen Wechselfelder im Beschleuniger mit einem Phasenversatz von ca. 180° erreichen (siehe Abb. 3a), wodurch sie nun abgebremst werden statt beschleunigt zu werden. Bei der Abbremsung wird den Elektronen kinetische Energie entzogen und in den elektrischen Wechselfeldern gespeichert, wodurch die Energie für eine Beschleunigung nachfolgender Elektronen zur Verfügung steht.

Erstmals wurde der S-DALINAC im August 2017 im einfachen Energierückgewinnungsmodus (jeweils ein Hauptbeschleunigerdurchschuss zur Beschleunigung und Bremsung) realisiert was ihn zum ersten ERL Deutschlands macht. Weiterführende Informationen zu den Ergebnissen aus dieser Strahlzeit können in der wissenschaftlichen Veröffentlichung zum einfachen ERL gefunden werden.

Durch seine drei Rezirkulationsbahnen besitzt der S-DALINAC das Potential auch im zweifachen oder dreifachen Energierückgewinnungsmodus betrieben zu werden. Ersterer Modus wurde erstmals im August 2021 am S-DALINAC realisiert. Der mehrstufige Energierückgewinnungsmodus stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, wenn wie im Falle des S-DALINAC ein geteilter Strahltransport genutzt wird, d.h. beschleunigte und gebremste Elektronen fliegen durch dieselben Rezirkulationsbahnen (siehe Abb. 3b). Dieses Design erhöht die Effizienz durch Einsparung von Strahlführungselementen, schränkt aber dafür die Anzahl an Freiheitsgraden zur Strahlfokussierung ein. Ergebnisse aus dieser Strahlzeit finden sich in der wissenschaftlichen Veröffentlichung zum zweifachen ERL wieder.

Die Arbeiten an Beschleunigern können in verschiedene Aspekte und Bereiche unterteilt werden. Die folgende Liste von Aktivitäten bietet einen groben Überblick der Bereiche, die zur weiteren Verbesserung und zum Betrieb des S-DALINAC nötig sind:

  • Forschung zu Beschleunigern mit Energierückgewinnung (engl. Energy Recovery Linac (ERL)).
  • Strahldynamiksimulationen mit verschiedenen Softwaretools und IKP-intern entwickelten Algorithmen, um die Strahlführung und das Einstellen des Elektronenstrahls am S-DALINAC zu optimieren.
  • Ausrichtung der Strahlführung, um einen optimierten Strahltransport zu gewährleisten.
  • Verbesserungen des Steuerungssystems in Bezug auf die Entwicklung neuer Software und Hardware sowie eine Optimierung der Steuerungssysteminfrastruktur und somit des Beschleunigerbetriebs.
  • Simulationen und Behandlungen der supraleitenden Kavitäten zur Erhöhung der Gütefaktoren.
  • Entwurf, Simulation, Konstruktion und Messung von Magneten.
  • Simulationen zu Vakuumsystemen.
  • Erweiterungen der Diagnosemöglichkeiten des Elektronenstrahls.
  • Forschung im Hinblick auf die sogenannte Stromaufbruchgrenze (engl. Beam Break-Up (BBU)) bei hohen Strömen in rezirkulierenden Beschleunigern.
  • Simulationen und Messungen zum Strahlenschutz am S-DALINAC.

Diese und viele weitere Tätigkeitsfelder sind essenziell für den erfolgreichen Betrieb eines Beschleunigers.

Der S-DALINAC ist ein an einer öffentlichen Universität betriebener Beschleuniger und kann besichtigt werden. Wir bieten Touren für Gruppen an, die sich für die Funktionsweise von Teilchenbeschleunigern interessieren. Neben individuellen Touren, ist eine Besichtigung des S-DALINAC stets fester Teil der Orientierungswoche für Studienanfängerinnen und Studienabfänger sowie im Rahmen des Saturday Morning Physics Programms für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe.

Wir haben keine fixen Termine für individuelle Besichtigungen. Zu welcher Zeit der Beschleuniger besichtigt werden kann, ist vom Status der Maschine und der geplanten Strahlzeit abhängig. Wenn Sie an einer Besichtigung interessiert sind, kontaktieren Sie uns bitte daher einige Zeit im Voraus, gerne finden wir einen möglichen Termin.

Kontakt:

Dr. Lars Jürgensen (Betriebsleitung S-DALINAC)

Der S-DALINAC wird in erster Linie von Studierenden weiterentwickelt und von selbigen für Forschungszwecke genutzt. Daher besteht die Möglichkeit Abschlussarbeiten am S-DALINAC anzufertigen, wobei der Schwerpunkt auf der Physik und Technik von Beschleunigern und/oder auf der experimentellen Kernforschung liegt.

Aktuelle Themen für Abschlussarbeiten, die im Rahmen einer Bachelor- oder Master-Thesis oder einer Dissertation bearbeitet werden können, oder für Miniforschungsprojekte entnehmen Sie bitte unserer Liste . Für genauere Informationen zu den einzelnen Themen stehen die jeweiligen Ansprechpersonen gerne bereit.

Die frühzeitige Aufnahme von angeleiteter Forschungsarbeit im Rahmen einer Miniforschung gewährt Ihnen Einblicke in das Institut für Kernphysik und erleichtert Ihnen die Auswahl der Arbeitsgruppe für Ihre zukünftige Bachelor- oder Master-Thesis. Gelegenheit zur Aufnahme einer Miniforschung besteht jederzeit.

Sollten Sie unter den angebotenen Abschlussarbeiten oder Miniforschungsprojekten nicht fündig werden, sprechen Sie uns an! In einem persönlichen Gespräch können wir unsere aktuellen Arbeiten mit Ihren Wünschen und eventuellen Vorkenntnissen verknüpfen und Ihnen daraus ein passendes Angebot unterbreiten.

Kontakt:

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Norbert Pietralla (Akademische Leitung)

Dr. Michaela Arnold (Abteilungsleitung S-DALINAC)

Dr. Volker Werner (Leitung Spektroskopie)

Dr. Jonny Birkhan (Leitung Strahlenschutz)

Dr. Oliver Möller (Projektkoordinator DAGATA)

Studierende, die Interesse an Beschleunigerphysik haben und die Forschung am Institut für Kernphysik unterstützen möchten, haben die Möglichkeit als studentische Hilfskraft am S-DALINAC zu arbeiten. Um einen 24/7-Betrieb zu gewährleisten, muss die Anlage rund um die Uhr überwacht werden, sodass wir unter der Woche Nachtschichten und am Wochenende Tag- und Nachtschichten für studentische Hilfskräfte anbieten. Die Hauptaufgabe der studentischen Hilfskräfte ist dabei die Überwachung des Heliumverflüssigers und des Beschleuniger-Betriebs.

Unsere Anforderungen an studentische Hilfskräfte:

  • Technisches Verständnis und Interesse sich auf einem technischen Gebiet weiterzubilden.
  • Zuverlässiges Arbeiten und das Übernehmen von Verantwortung.
  • Spaß an praktischer Arbeit.
  • Eingeschrieben als Student*in in Physik oder einem technisch-orientierten Studiengang.
  • Mindestens im 4. Semester des Bachelorstudiengangs oder bereits im Masterstudiengang.
  • Bisher höchstens zwei Jahre als studentische Hilfskräfte an der TU Darmstadt beschäftigt.
  • Interessiert an einem längeren Beschäftigungsverhältnis (gerne 2 Jahre oder länger).
  • Deutsch-Kenntnisse auf Muttersprachenniveau.
  • Teilnahme an regelmäßigen Schulungen.
  • Die Bereitschaft 12-Stunden-Schichten (hauptsächlich in der Nacht) zu absolvieren.

Falls Interesse besteht und weitere Informationen zum Stellenangebot erwünscht sind, kontaktieren Sie uns bitte unter .