QCD-Topologie unter extremen Bedingungen
Topologische Eigenschaften der QCD sind von großer Wichtigkeit wenn es um das Verständnis der QCD-Vakuumstruktur, der Brechung der chiralen und U(1)axial-Anomalie oder des QCD-Phasendiagramms geht. Und während die QCD-Topologie und ihre Effekte auf das Vakuum unter „gewöhnlichen“ Bedingungen gut verstanden sind, ist dies für hohe Temperaturen, hohe Dichten und hohe chemische Potentiale nicht der Fall:
- Temperaturen T > 3 Tpc, mit Tpc ≈ 155 MeV der pseudokritischen QCD-Temperatur für physikalische Quarkmassen und verschwindende chemische Potenziale µB = µI = 0 (Quark-Gluon Plasma)
- µB > 1 GeV mit T = µI = 0
- µI größer als einige Male der Wert µI = mπ/2 ≈ 70 MeV, der zur Pionen-Kondensation führt (Pionenkondensat)
Und natürlich ist auch die Topologie bei Kombinationen von hohen Temperaturen und chemischen Potenzialen, wie aufgezeigt im QCD-Phasendiagramm in Abbildung 1, nicht ausreichend unter unserer Kontrolle.
Das Ziel unserer Arbeit ist ein besseres Verständnis der vielen verschiedenen Phasen von Materie unter starker Wechselwirkung bei solch extremen Bedingungen, beispielsweise der Rolle der Brechung der chiralen Symmetrie sowie ihrer Wiederherstellung bei hohen Temperaturen, aber auch der thermodynamischen Natur der unterschiedlichen Phasen selbst, ihrer Phasenübergänge und kritischen Punkte. Dabei ist für uns das Zusammenspiel von Topologie und topologieverändernden Prozessen auf der einen Seite und der QCD-Thermodynamik auf der anderen Seite von besonderer Wichtigkeit. Dementsprechend ist eines der Hauptziele unserer Gruppe auch die Analyse der topologischen Suszeptibilität χ in ”full QCD“ unter den erwähnten extremen Bedingungen.
Zu diesem Zwecke verfolgen wir das Ziel, die topologische Suszeptibilität der QCD mittels Reweighting-Methoden der Gitter-QCD bei Temperaturen bis zu und jenseits 1 GeV zu bestimmen; dies ist die höchste Temperatur, bei der Axionenkosmologie sensitiv auf die Suszeptibilität ist. Vor kurzem konnten wir dies bereits in pure-glue (quenched) QCD demonstrieren. Um solche Temperaturen für unqueched QCD zu erreichen, müssen wir zuerst verstehen, wie das scale setting für (HISQ) 2+1+1 Quarkflavor Ensembles und Gitterkonstanten, die um den Faktor 2 kleiner sind als bisher untersucht, funktioniert. Dann können wir feststellen, wie unsere Reweighting-Methoden auf Systeme mit mit sehr kleinen Quarkmassen und damit einhergehenden kleinen Dirac-Eigenwerten anzuwenden sind, oder ob wir ein Quarkmassen-Reweighting, das Simulationen mit kleinen Eigenwerten vermeidet und die benötigten Quarkmassen mittels Extrapolation erreicht, verwenden werden.
Eine weitere Herausforderung geht mit der Berücksichtigung des bottom Quarks einher, das bei Temperaturen größer 1 GeV relevant wird. Das scale setting mit bottom und charm Quark erscheint äußerst kostspielig, daher werden wir die fermionische Fluktuationsdeterminante, herrührend von einem schweren Quark in Anwesenheit eines Instantons bei endlicher Temperatur (Caloron), analytisch betrachten. Schwere Quarks zusammen mit Instantonen sowie masselose Quarks und Caloronen wurden bereits untersucht, der allgemeine Fall von Caloronen zusammen mit schweren Quarks jedoch nicht.
Des weiteren beschäftigen wir uns mit dem Einfluss starker elektromagnetischer Felder auf die QCD-Topologie. Diese Kopplung zwischen QCD-Topologie und elektromagnetischen Felder der QED wird beispielsweise benötigt, um phänomenologisch zu verstehen, wie das hypothetische Axion mit elektromagnetischen Feldern interagiert. Es gibt Vorhersagen der chiralen Störungstheorie für diese Interaktion im Vakuum, die Gitter-QCD würde jedoch nicht nur erlauben, diese zu überprüfen, sondern sie auch auf endliche Temperaturen zu erweitern.
Unsere Forschung zu topologischen Eigenschaften der QCD und speziell zur topologischen Suszeptibilität soll nicht nur unser Verständnis der fundamentalen Theorie erweitern, sondern auch wichtige Beiträge leisten zu anderen Theorien und Feldern der Physik wie der Kosmologie, der Astronomie oder der Phänomenologie von Schwerionenkollisionen. In der Kosmologie wird beispielsweise die Axionmasse durch χ bestimmt: m2ax = χ/f2PQ, mit fPQ > 109 GeV der Skala für die spontane Brechung der Peccei Quinn-Symmetrie (siehe ”Axionenkosmologie“). Außerdem ist es möglich, dass im frühen Universum große Leptonenflavor-Asymmetrien vorherrschten mit resultierenden hohen µB und µI. In der Astronomie tritt Materie unter starker Wechselwirkung und bei extremen Bedingungen zum Beispiel bei Neutronensternfusionen oder bestimmten Supernovae auf. Schwerionenkollisionsexperimente werden in verschiedenen Versuchseinrichtungen durchgeführt, beispielsweise dem Relativistic Heavy-Ion Collider, dem Large Hadron Collider am CERN oder geplanten neuen Einrichtungen in Japan, Russland und Deutschland. Diese Kollisionen produzieren Quark-Gluon Plasmen und erlauben dadurch die experimentelle Untersuchung der oben genannten Bereiche der Physik. Tatsächlich sind die Quark-Gluon Plasmen in Schwerionenkollisionen besonders denen in Neutronensternfusionen sehr ähnlich in Temperatur und baryon number chemical potential. Außerdem sind off-central heavy-ion collisions ein hervorragendes Werkzeug zur Messung des chiral magnetic effect, des starken Magnetfelds, das von den nicht-interagierenden Ionen erzeugt wird, die aneinander vorbeifliegen.