Arbeitsgruppe Wilfried Nörtershäuser
Experimentelle Atom- und Kernphysik radioaktiver Nuklide

Hochgeladene Ionen

Schematische Zeichnung von wasserstoffähnlichem Bismuth mit der zugehörigen Hyperfeinaufspaltung, die im optischen Spektralbereich liegt. Mittels Laserspektroskopie kann die Übergangsenergie mit sehr hoher Genauigkeit bestimmt werden, um die Starkfeld-QED zu testen.
Schematische Zeichnung von wasserstoffähnlichem Bismuth mit der zugehörigen Hyperfeinaufspaltung, die im optischen Spektralbereich liegt. Mittels Laserspektroskopie kann die Übergangsenergie mit sehr hoher Genauigkeit bestimmt werden, um die Starkfeld-QED zu testen.

In unserer Arbeitsgruppe untersuchen wir Wenig-Elektronen-Systeme in starken Zentralfeldern schwerer Atomkerne. Diese sogenannten hochgelandenen Ionen sind einzigartige Systeme zur Erforschung von fundamentalen Prozessen und Symmetrien. Gegenwärtig stehen wasserstoffähnliche und lithiumähnliche Systeme wie 207Pb81+, 209Bi80+, 209Bi82+ oder 235U91+ im Vordergrund unserer Untersuchungen. Um experimentellen Zugang zu den fundamentalen Wechselwirkungen zu bekommen, führen wir Laserspektroskopie an verbotenen Übergängen durch, und bestimmen so die Beiträge der Starkfeld-Quantenelektrodynamik zur Bindungsenergie in diesen gebundenen Systemen. Dies wird möglich, weil die Z9-Abhängigkeit der Hyperfeinaufspaltung, die M1-Übergänge innerhalb der Grundzustands-Hyperfeinstruktur in den optischen Bereich verschiebt. Aus den laserspektroskopischen Ergebnissen lassen sich dann die berechneten QED-Beiträge überprüfen.
Durchgeführt werden diese Präzisionsexperimente zum einen an relativistischen Ionenstrahlen am ESR (Experiementierspeichering der GSI) und zum anderen an Ionen die in Penning-Fallen gespeichert und gekühlt werden.

Abbildung 1: Der Experimentier-Speicherring ESR an der GSI.
Abbildung 1: Der Experimentier-Speicherring ESR an der GSI.

Bereits 1993 wurde die Hyperfein-Übergangswellenlänge des wasserstoffähnlichen 209Bi82+ des 1s-Grundzustandes am Experimentier SpeicherRing (ESR) vermessen [Klaft et al.: Precision laser spectroscopy of the ground state hyperfine splitting of hydrogenlike 209Bi82+. In: PRL 73 (1994), S. 2425]. Die Interpretation des experimentellen Wertes als Test der QED wird aber zunächst durch große Unsicherheiten in der Berechnung des Einflusses der Kerneffekte auf die Übergangswellenlänge behindert. Erst ein Vergleich mit der Hyperfein-Übergangswellenlänge des lithiumähnlichen 209Bi80+ im 2s-Grundzustand ermöglicht einen aussagekräftigen Test der QED-Berechnungen. Bislang war die Wellenlänge von Bi80+ allerdings nur sehr ungenau aus indirekten Messungen bekannt. Nachdem mehrere Strahlzeiten am ESR zur direkten laserspektroskopischen Untersuchung des Überganges innerhalb der letzten 13 Jahre scheiterten, gelang es uns 2011 diesen Übergang erstmals direkt zu beobachten.

Dazu wurden am ESR, der in Abb. 1 schematisch dargestellt ist, nacheinander beide Ladungszustände Bi82+ und Bi80+ bei relativistischen Geschwindigkeiten von β ≈ 0,71 gespeichert. Im Elektronenkühler werden die Ionen mit einem Elektronenstrahl überlagert, so dass sich die Geschwindigkeitsverteilung der Ionen der der Elektronen anpasst. Somit bestimmt die Beschleunigungsspannung im Elektronenkühler von hier U ≈ -214 kV die Ionengeschwindigkeit. Der ESR hat zwei gerade Strecken mit Fenstern zum Einkoppeln von Laserstrahlen an deren Enden.

In diesem Experiment wird der Spektroskopielaser antikollinear (bei Bi82+) bzw. kollinear (bei Bi80+) auf der Seite des Elektronenkühlers mit dem Ionenstrahl überlagert. Für beide Ionen wurde Laserlicht im Bereich um 600 nm verwendet, welches von einem gepulsten Farbstofflaser erzeugt wurde. Durch den relativistischen Dopplereffekt wird die Laborfrequenz des Lasers im Ruhesystem des Ions in die Nähe der jeweiligen Resonanz bei λ(1s) ≈ 244 nm bzw. λ(2s) ≈ 1555 nm verschoben.

Abbildung 2: Parabolischer Kupferspiegel
Abbildung 2: Parabolischer Kupferspiegel

Da beide Hyperfeinübergänge Lebensdauern in der Größenordnung von 1-100 ms vorweisen, die Umlaufzeit im ESR aber nur etwa 0,5 µs beträgt, wird die Fluoreszenz entlang des gesamten Rings emittiert. Unser Detektionssystem befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite des Elektronenkühlers und damit gut abgeschirmt von Laserstreulicht. Die ausschlaggebende Verbesserung in diesem Experiment im Vergleich zu den gescheiterten Vorgängerexperimenten bestand in einem neuen Fluoreszenzsammelsystem, das in der Kollaboration mit der Gruppe von Prof. Weinheimer an der Universität Münster entwickelt wurde. (siehe Abb. 2 und auch Diplomarbeit von Denis Anielski: 6.7 MB (wird in neuem Tab geöffnet))

Konventionelle Photomultiplier besitzen eine deutlich höhere Nachweiseffizienz im optischen als im IR-Bereich. Bei Bi80+ bevorzugt man daher die von den Ionen in Flugrichtung emittierten, durch den Dopplereffekt blauverschobenen Fluoreszenzphotonen. Das Herzstück des neu entwickelten Fluoreszenzsammelsystems besteht aus einem off-axis Parabolspiegel mit einem Schlitz für die Ionen in der Mitte. Er lenkt effizient die in Vorwärtsrichtung emittierten Photonen auf den seitlich angebrachten Detektor. Der Spiegelhalter ist auf einer Lineardurchführung befestigt, so dass der Spiegel während des Befüllens des Rings mit Ionen und dem Kühlprozess aus dem Bereich des Ionenstrahls heraus gefahren werden kann.

Resultate

Abbildung 3: Resonanzen in wasserstoffartigem (links) und lithiumartigem (rechts) Wismut aus der Strahlzeit in 2014.
Abbildung 3: Resonanzen in wasserstoffartigem (links) und lithiumartigem (rechts) Wismut aus der Strahlzeit in 2014.

Im Jahr 2011 beobachteten wir erstmals den 2s Hyperfeinübergang in lithiumartigem Wismut. Kombiniert mit einer neuen Messung der 1s Hyperfeinaufspaltung in wasserstoffartigem Wismut, extrahierten wir die sogenannte spezifische Differenz der beiden Übergänge und fanden eine gute Übereinstimmung mit der theoretischen Vorhersage im Rahmen der aber noch relativ großen Unsicherheiten. Die dominante Unsicherheit stammte aus der nur ungenau bekannten Kühlerspannung.

Im Jahr 2014 wurde das Experiment unter verbesserten Bedingungen wiederholt. Insbesondere diente ein Präzisions-Hochspannungsteiler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig zur in-situ Bestimmung der Hochspannung am Elektronenkühler, d.h. die tatsächlich anliegende Spannung wurde während des Experimentes zu jeder Zeit aufgezeichnet.

Nach einer ausführlichen Analyse möglicher systematischer Effekte, ergab sich für das neue Resultat eine relative Genauigkeit von ungefähr 10-5 für beide Hyperfeinübergänge. Dies ist etwa eine Größenordnung besser als unsere frühere Messung und stellt die bislang präziseste Messung eines Hyperfeinübergangs in einem hochgeladenen schweren Ion dar.

Überraschenderweise zeigte unser Resultat für die spezifische Differenz eine mehr als 7 Fehlerbalken (7σ) große Diskrepanz zu dem theoretisch vorhergesagten Wert. [Nat. Commun. 8, 15484 (2017)]. Diese Abweichung ist größer als der gesamte Beitrag der QED zur spezifischen Differenz und es kann daher vermutet werden, dass es eine andere Ursache für diese Abweichung gibt. So könnte beispielsweise das tabellierte magnetische Moment inkorrekt sein oder die Elimination der Kernstrukturbeiträge in der spezifischen Differenz funktioniert nicht wie gedacht. Damit gibt es immer noch keinen signifikanten Test der QED im Regime stärkster magnetischer Felder. Wir arbeiten weiter an der Lösung des „Hyperfeinrätsels“ [Nature Physics 13, 533–534 (2017)] !

Lösung des Hyperfeinrätsels?

Durch Messungen verschiedener Wismutverbindungen mit kernmagnetischer Resonanzspektroskopie konnten wir zeigen, dass das tabellierte magnetische Moment des Wismutkerns mit der Massenzahl 209 nicht korrekt ist bzw. eine zu geringe Unsicherheit besitzt. Wenn man das von uns bestimmte neue magnetische Moment nach Korrekturen für die chemische Verschiebung und diamagnetischer Abschirmung verwendet, stimmt die neue theoretische Vorhersage der spezifischen Differenz innerhalb der Unsicherheit mit dem experimentellen Wert überein [Phys. Rev. Lett. 120, 093001 (2018)].

Zukunft

Weitere Strahlzeiten für unser Experiment wurden vom G-PAC genehmigt. Um die spezifische Differenz auch für das radioaktive Isotop Bi-208 zu bestimmen und damit die Unabhängigkeit der spezifischen Differenz von der kernmagnetischen Momentverteilung zu zeigen, muss eine neue und sensitivere Methode zum Nachweis der Resonanz des lithiumähnlichen Ions entwickelt werden. Wir wollen dazu die dielektronische Rekombination (DR) verwenden. Die DR-assistierte Laserspektroskopie sollte eine um etwa 1-2 Größenordnungen höhere Effizienz als der direkte optische Nachweis der Fluoreszenzspektroskopie besitzen.

Höhere Genauigkeiten und damit ein ultimativer Test der Starkfeld-QED gebundener Zustände in den stärksten magnetischen Feldern wird erst mit Messungen in Ionenfallen (SPECTRAP und ARTEMIS) möglich sein, da dort die Genauigkeit um 2-3 Größenordnungen gesteigert werden kann.

Abbildung 1: Kryogene Penningfalle und PMT-Detektor für Laserspektroskopie an hochgeladenen Ionen.
Abbildung 1: Kryogene Penningfalle und PMT-Detektor für Laserspektroskopie an hochgeladenen Ionen.

Die vorgenannten Experimente am ESR sind in der Präzision durch die Dopplerverbreiterung und die nur begrenzt genau bekannte Geschwindigkeit der Ionen, die für die Berechnung des Dopplereffektes wichtig ist, limitiert. Sie sind aber eine unabdingbare Vorbedingung zur Realisierung eines derzeit im Aufbau befindlichen Fallenexperimentes. Mit diesem wird eine um Größenordnungen präzisere Bestimmung der Ruhewellenlänge möglich sein. Zudem lassen sich mit dem neuen Aufbau die dynamischen Prozesse sowie verschiedene Kühl- und Kompressionstechniken von mehrkomponentigen Ionenwolken unter extremen Bedingungen untersuchen.

Um die notwendige Präzision zur Bestimmung der QED-Effekte zu erreichen, muss allerdings, im Vergleich zu Messungen an relativistischen Ionenstrahlen, deren thermische Energieverteilung und somit deren Dopplerverbreiterung deutlich reduziert werden. Dies erfordert den Einsatz verschiedener Kühlverfahren um die Ionenwolke auf einige mK abzukühlen. Folglich haben wir eine Kühlstrategie auf Grundlage lasergekühlter Magnesium-Ionen entwickelt, die es uns erlauben wird alle Arten von hochgeladen Ionen zu speichern und zu kühlen, um diese für hochpräzise Laserspektroskopieexperimente and SpecTrap zugänglich zu machen. Dieses sogenannte sympathetische Kühlen ist allerdings nur eine Variante die wir zum Kühlen der Teilchenwolke verfolgen. Der spezielle Aufbau der Falle erlaubt es zudem erstmalig das Widerstandskühlen von großen, hochgeladenen Ionenensembles zu untersuchen und für den Einsatz von Laserspektroskopieexperiementen zu verbinden.

Das Herz des experimentellen Aufbaus bildet eine zylindrische Penning-Falle in kryogener Umgebung (siehe Abbildung 1). Das Magnetfeld, welches für die radiale Speicherung der Ionen in der Falle benötigt wird, stammt von einem supraleitenden Magneten in Helmholtz-Konfiguration. Die verschiedenen Ionenspezies werden von externen Quellen erzeugt und mit Hilfe geeigneter Ionenoptiken in die Falle transportiert. Durch präzises Schalten der Fallenspannungen lässt sich die Position der Wolke genau einstellen und erlaubt darüber hinaus die Dichte der Ionenwolke genau zu manipulieren. Die optische Transparenz der Falle erlaubt zudem das axiale Einstrahlen eines Anregungs- bzw. Kühllasers und eine Detektion des Fluoreszenzlichtes senkrecht dazu.

Abbildung 2: Kompression einer lasergekühlten Mg+-Wolke während der Kühlphase.
Abbildung 2: Kompression einer lasergekühlten Mg+-Wolke während der Kühlphase.

Desweiteren lässt sich die Dynamik der Ionenwolke durch Abbildung auf eine CCD-Kamera beobachten und studieren (siehe Abbildung 2).

Die Entwicklungen und Experimente werden in enger Zusammenarbeit mit den Gruppen von Richard Thompson (Imperial College London), Christian Weinheimer (Universität Münster) und Gerhard Birkl (TU Darmstadt) durchgeführt.

Abb. 1: Status im Mai 2015. Installation der Ringkomponenten schreitet schnell voran. Photo entnommen von [https://www.gsi.de/work/forschung/appamml/atomphysik/anlagen_und_experimente/cryringesr.htm]

CRYRING ist ein weiterer Speicherring, der am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung installiert wurde. Ein Foto des Aufbaus ist in Abb. 1 gezeigt. Er wird niedrig- und hochgeladene Ionen bei Energien bis zu etwa 20 MeV/Nukleon zur Verfügung stellen. Diese können entweder aus einer Offline-Quelle vom Nielsen-Typ oder aus dem ESR injiziert werden.

Der Ring wurde erfolgreich in Betrieb genommen und im September 2017 konnte erstmals ein Ionenstrahl von H2+-Ionen gespeichert, gebuncht und beschleunigt werden. Um weitere Ionen offline verfügbar zu machen, wird derzeit ein Ofen entwickelt. In Kombination mit der Ionenquelle können dann auch Metallionen erzeugt und in den Ring injiziert werden. Diese Metallionen sollen dann für kollineare Laserspektroskopie verwendet werden.

Wir wollen versuchen, erstmals einen polarisierten Ionenstrahl mittels optischen Pumpens in einem Speicherring zu erzeugen. Für das Testexperiment soll der D1-Übergang 3s 2S1/2 → 3p 2P1/2 des Mg+-Ions bei einer Wellenlänge von 280,35 nm verwendet werden.

Für die geplanten Laserspektroskopie-Experimente wurde von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christian Weinheimer in Münster eine Fluoreszenzkammer entwickelt, die im Januar 2018 am CRYRING installiert werden soll. Sowohl das Lasersystem als auch die Datenerfassung für die Spektroskopie sind derzeit in Arbeit. In diesem Zusammenhang sind auch noch Bachelor- beziehungsweise Masterarbeiten zu vergeben.